Christian Mehrens: „Große Spieler sind immer der Motor des Spiels!“

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Als Co-Trainer der ProA-Mannschaft und Headcoach der 2. Mannschaft der Drachen ist Christian Mehrens fester Bestandteil der Dragons-Familie und Experte für die Ausbildung der Spieler auf den großen Positionen. Im Dragons.de-Interview steht der ehemalige Spieler der Dragons Rede und Antwort.

Dragons.de: Die Dragons haben die ersten Spiele in der laufenden Saison hinter sich. Wie ist dein Eindruck der Liga und wie siehst du die Entwicklung der ProA in den vergangenen Jahren?

Christian Mehrens: Nach den ersten Spielen ist dies immer noch schwer zu beurteilen. Wir haben gegen Mannschaften gespielt, die vom Budget her zu den besten Teams der Liga gehören und dadurch sich eine Qualität leisten können, die wir uns in dieser Form eben nicht leisten können. Vechta ist dabei sicherlich am höchsten anzusiedeln und spielt in einer eigenen Liga. Aber generell ist es nicht mein Ansatz immer einen Vergleich zwischen uns und den anderen Mannschaften anzustellen. Wir müssen unsere Spieler pushen und versuchen aus unseren Möglichkeiten an diesem Standort das Maximum herauszuholen. Dabei können wir als Trainer unseren Spielern Hilfen anbieten, um auf das nötige Niveau zu kommen. Das Potential dafür ist auf alle Fälle vorhanden!

Welche Unterschiede siehst du im Niveau der Liga zwischen heute und deiner aktiven Zeit in der 2. Basketball-Bundesliga?

Natürlich kommt hier das obligatorische „Ja es ist athletischer geworden“, keine Frage. Es gab zum Ende meiner Karriere die Tendenz dahin, dass vermehrt auf Spieler gesetzt wurde, die über Kraft, Athletik und Schnelligkeit kamen und weniger über Technik oder Taktik. Dadurch ging dieser gewisse spielerische Spaß, den ich an diesem Sport so sehr schätze, ein wenig verloren. Deswegen habe ich mir auch nur noch sehr selten Spiele angesehen in den Jahren nach meinem Karriereende. Dies war aber kein Phänomen, welches nur in der zweiten Liga zu beobachten war, auch in der ersten Liga war dies der Fall. Erst seit vielleicht drei oder vier Jahren ist wieder eine Tendenz zu erkennen, dass die Spieler wieder taktisch und spielerisch besseren und sauberen Basketball spielen wollen und sollen. Dadurch steigt das Niveau wieder stetig an und es macht wieder Spaß solche Spiele zu gucken.

Schaut man nun auf die Ausbildung der Spieler, so werden oft Unterschiede zwischen dem amerikanischen System des College Basketballs und dem europäischen System des Vereins Basketballs benannt und die These aufgestellt, dass die variableren Spieler aus Europa kommen. Wie blickst du auf diesen Vergleich und die Stärken und Schwächen der beiden Ausbildungs-Varianten?

Das ist eine schwierige Frage und ich denke man muss dies bezogen auf die einzelnen Spielerpositionen im Basketball betrachten. Ein amerikanischer Point Guard zum Beispiel, der nach Europa kommt muss auch scoren können, da reicht es nicht nur das Spiel aufzuziehen und zu lenken. Das wird einfach erwartet. Bei einem amerikanischen Center sieht man auch hier in Europa primär die Aufgabe darin, dass er die Zone frei hält, Rebounds holt, Blöcke stellt und zusätzlich ein paar Punkte auflegt. Und genau die gleichen Anforderungen werden aber auch an europäische Center gestellt. Das zeigt wie schwierig eine Bewertung oftmals ist. Von der Tendenz her ist an der These sicherlich was dran, aber man darf das auch nicht zu euphorisch sehen. Nicht jeder große Spieler in Europa hat die Veranlagung zu einem Dirk Nowitzki oder Andrea Bargnani oder bei den Guards zu einem Tony Parker. Und in den USA wird eben auch nicht jeder zu einem Kobe Bryant, Dwight Howard oder Lebron James. Aber generell ist die Ausbildung in Europa sicherlich etwas breiter und vielleicht etwas vielseitiger angelegt, als in den USA.

In den letzten Jahren scheint der klassische Brett-Center, wie es ihn oftmals noch Ende der 90er und in den 2000er Jahren gab, ausgedient zu haben. Siehst du ebenfalls diese Entwicklung hin zu kleineren Spielern auf den Positionen des Power Forwards und Centers? 

An dieser Stelle würde ich gerne einmal eine Statistik sehen, die aufzeigt wie viele Menschen über 2,10 Meter früher Basketball gespielt haben und wie viele davon heute spielen. Menschen, die größer sind als 2,05 Meter waren früher selten und sind es heute auch noch. Dazu kommt dann noch die wirtschaftliche Wahrheit, dass im Basketball jeder cm Geld kostet. Je größer ein Spieler ist, umso teurer wird er auch und wenn er dann auch noch gut Basketball spielen kann ist er für deutsche Verhältnisse nahezu unbezahlbar. Ausnahmen sind hier höchstens Bayern München, Alba Berlin oder die Brose Baskets Bamberg. Aber Basketball entwickelt sich stetig weiter und durch die immer bessere Vernetzung von Vereinen, Agenten und Spielern gibt es mittlerweile eben ein großen Fundus an Spielern im Bereich von 2 Meter bis sagen wir mal 2,05 Meter. Und natürlich muss ein Spieler dieser Größe das Spiel etwas anders aufziehen, besonders wenn er gegen einen größeren Gegenspieler agiert. Auch ich musste mit meinen 2,11 Meter mein Spiel oft von außen aufziehen, da mir unter dem Korb die Masse und Athletik fehlte, um mich dort durchzusetzen.

Mittlerweile scheint das Paket der großen Spieler trotzdem vielseitiger geworden zu sein. Oftmals werden Center oder Power Forwards als Ballverteiler aus dem Lowpost heraus eingesetzt und bringen das Ball-Handling eines Guards mit. 

Große Spieler waren immer der Motor des Spiels, das war früher so und ist es heute noch. Ohne gute große Spieler hattest du früher wenig Chancen und hast es heute auch nicht. Aber sicherlich ist durch die Entwicklung des Basketballs, auch in der NBA, in den letzten Jahren dieser ganz klassische Brett-Center weggefallen. Der letzte Center dieser Art war meiner Meinung nach Shaquille O’Neal. Aber mittlerweile sind auch solche Spielertypen wieder gefragt und im kommen. Es können nicht fünf Leute an der 3er Linie stehen und werfen, da müssen auch Spieler innen stehen und entsprechend Platz schaffen. Aber es bleibt eben dabei, Leute mit der entsprechenden Größe und Qualität fallen nicht vom Baum und sind einfach selten. Auch die Amerikaner haben kein Labor wo große Center gezüchtet werden, die dann noch entsprechende spielerische Veranlagungen haben. Wenn ich mir angucke, was ein Dwight Howard mit seinen physischen Veranlagungen für ein Spiel hat, bekomme ich echt graue Haare. Aber die Tendenz ist wieder zu erkennen. Auch wir haben hier mit Alex Möller einen Spieler, der eine solche Rolle vielleicht einnehmen kann. Bei ihm werden wir versuchen und sind dabei, das klassische Center Spiel wieder zu etablieren und beizubringen. Wenn er diesen Spielstil verinnerlicht hat werden wir erst anfangen ein Spiel aus der Mitteldistanz aufzubauen. Aber erstmal gibt es für ihn ein klassisches Brett-Center Skill-Set.

Schauen wir nun auf die lange Garde der Dragons. Gegen viele ProA-Teams treffen unsere Jungs auf oftmals körperlich überlegene Gegenspieler, wie zuletzt einen Donald Lawson in Vechta. Wie bereitest du die Jungs im Training auf diese Situationen vor?

Wenn man körperlich unterlegen ist, muss man versuchen dieses durch Technik auszugleichen. Auch ich musste mir dies aneignen. Es geht dabei um viele Kleinigkeiten, wie Position, Fußstellung oder Körperspannung. Aber auch im Tricks, wie den richtigen Zeitpunkt den Gegenspieler mal zu halten oder einen Ellenbogen zu verteilt, ohne dass die Schiedsrichter dies unbedingt mitbekommen. Viele dieser Dinge gehören in den mentalen Bereich und da müssen die Spieler bereit sind die Hilfen anzunehmen und zu verstehen. Ich will damit nicht sagen, dass unsere Jungs das nicht verstehen, aber es sind Dinge die sich einfach einschleifen müssen und die immer wieder trainiert und wiederholt werden. Dies sind Prozesse, die einfach lange dauern und die von den Spielern kognitiv richtig umgesetzt werden müssen. Für einen Außenstehenden ist dies oftmals schwer nachzuvollziehen, aber es geht hierbei um gewisse Verhaltensmuster, die wir teilweise neu erlernen oder verändern wollen. Und bestehende Verhaltensmuster bei Spielern zu ändern dauert immer sehr sehr lange und auch ich habe dafür oftmals sehr lange gebraucht. Solche Inhalte müssen sich bei den Spielern setzen und verwurzeln und müssen ohne Nachdenken umgesetzt werden. Manchmal sind unsere Jungs da noch etwas „Lost in Translation“ und die Gegenspieler sind eben gestandene Profis und ganz andere Kategorien als noch in der ProB. Deswegen sollten und sind wir auch mit unseren Erwartungen und Forderungen an die Spieler vorsichtig sein, aber ich sehe da jeden unserer Spieler auf einem guten Weg.

Besonders verfolgt wird oftmals die Rolle von Doppellizenz-Spielern, die sowohl bei uns, als auch bei den Telekom Baskets Bonn im Kader stehen. Aktuell richten sich deswegen viele Augen auf Robin Lodders. Wie siehst du seine Rolle im Kader und ist es ein Vorteil für ihn bei den Telekom Baskets auch regelmäßig gegen Tadas Klimavicius und Dirk Mädrich im Training ran zu müssen?

Robin ist sehr gut veranlagt und bringt viele Möglichkeiten mit, aber auch für ihn ist es die erste richtige Saison auf diesem Niveau. Er hat zuvor ausschließlich in der zweiten Mannschaft der Baskets in der 1. Regionalliga gespielt und man muss auch ihm einfach entsprechend Zeit geben. Er muss das Niveau kennen lernen und ist eben noch im Nachteil gegen gestandene Spieler wie Derrick Allen, Christian Standhardinger oder Donald Lawson. Individuell ist es für ihn sicherlich ein Vorteil gegen die Jungs aus der Beko BBL Mannschaft zu trainieren, aber ganz persönlich bin ich ein Fan davon, möglichst viel mit der Mannschaft zu trainieren, in der man auch die meiste Spielzeit bekommt.

Was sind ganz praktisch gesehen die Inhalte und Schwerpunkte, die du den Jungs im Training vermittelst und an die Hand gibst?

Mein Schwerpunkt liegt auf der Koordination. Meine Philosophie beinhaltet, dass man gerade unter dem Korb eine gute Balance und einen guten Schwerpunkt haben muss. Man muss über beide Beine kommen können und seine Füße permanent richtig positionieren. Wenn man dies beherrscht, kann man anfangen zu arbeiten und zu agieren. Dann können Bewegungen wie Spin Move oder ein Hakenwurf sauber durchgeführt und angeeignet werden. Deswegen vermittele ich den großen Spielern viele koordinative Sachen und arbeite in diesem Bereich mit den Spielern. Auch bestimmte Schrittfolgen aus Systemen heraus oder im Eins gegen Eins gehören dazu, wie auch bestimmte Verhaltensmuster bei Rebound-Situationen zum Beispiel. Vieles hängt auch von einer guten und permanenten Körperspannung ab, auf die ich bei meinen Einheiten mit den großen Jungs viel Wert lege. Aber viele dieser Dinge sind auch unabhängig von der Position im Basketball wichtig.

Wie muss man sich die Arbeitsaufteilung zwischen dir und unserem Headcoach Boris Kaminski, sowie deinem Co-Trainer Kollegen Matthias Sonnenschein vorstellen?

Natürlich findet zwischen uns ein reger Austausch statt, wobei natürlich primär mit Boris gesprochen wird. Dies liegt auch einfach daran, dass Matthias und ich seltenst zusammen im Training sind, da wir beide auch noch Aufgaben im Bereich der NBBL und JBBL haben und sich die Trainingszeiten oftmals überschneiden. Da ich mit den großen Jungs im Training hauptsächlich arbeite, achte ich natürlich vermehrt auf sie, aber habe auch den Rest immer im Blick. Meine Eindrücke gebe ich dann leise oder im Vieraugengespräch an Boris weiter. Wenn ich wirklich einmal aktiv und korrigierenden in den Trainingsbetrieb eingreife, sagen wir einmal im Spiel 5-5, dann ist es meist der Fall, dass mir bei den großen Spielern etwas aufgefallen ist, was wir zuvor im Gruppentraining behandelt haben und was mir dann ungenügend umgesetzt wird. In diesem Fall gehe ich dann dazwischen und da lässt Boris mir freie Hand und macht es für mich einfach und angenehm da dann rein zu gehen und zu korrigieren. Bei allem anderen schildere ich Boris wie gesagt meine Eindrücke und wir diskutieren darüber und tauschen uns aus. Wir haben in diesem Bereich einen sehr offenen und kollegialen Austausch und es findet alles auf Augenhöhe statt und jede Seite nimmt die Ratschläge und manchmal auch Kritiken des anderen an oder diskutiert zumindest darüber. Und dies macht es wie gesagt so ungeheuer angenehm mit ihm und Matthias zusammenzuarbeiten.

Zum Abschluss nochmal eine Frage zu deiner aktiven Karriere: Welches ist dein Alltime-Favorite Gegen- oder Mitspieler auf deiner Position gewesen?

Mein erstes Vorbild war Kareem Abdul-Jabbar, als er bei den Lakers spielte. Als Jugendspieler in Leverkusen fand ich Kannard Johnson sowohl als Typen, als auch als Spieler absolut klasse. Ein unglaublicher Spieler mit einer wahnsinnigen Physis und vielen Skills. Er hatte ein gutes Ballhandling, einen guten Wurf und war immer gefährlich wenn er auf dem Feld stand. Körperlich einfach „Perfectly build“, anders kann man es nicht sagen, ein Berg von einem Mann. Als Gegenspieler habe ich mich immer gefreut auf Wendell Alexis zu treffen, obwohl man wusste, dass es wahrscheinlich ordentlich was auf die Mütze gibt. Alexis war einfach elegant, vielseitig und mit seiner Spielintelligenz gehört er sicherlich in Deutschland zu besten Spielern, die hier jemals gespielt haben.