Christoph Roquette: Das Ende einer Saison, das Ende einer Karriere

Da stand er nun, bärtig und abgekämpft. Das Ende eines Spiels, das Ende eines Traums, einer Saison, einer Karriere. Auf der Anzeigetafel liefen Bilder seiner Laufbahn, keiner war gegangen, Hunderte in Gelb und Grün um ihn herum – Emotionen, die eigentlich reichen, einen ganzen Monat zu füllen, erlebt an einem Abend.

Christoph Roquette wollte seine Karriere als Meister abschließen. Als Kapitän einer Mannschaft, die in Wedel so viele Menschen für Basketball begeistert hat wie seit Ende der 80er/Anfang der 90er-Jahre nicht mehr. Es passten einfach nicht mehr Leute rein, die Steinberghalle war voll. Gegen Oldenburg, gegen Iserlohn, auch bei vorherigen Heimspielen wurde Schlange stehen zum Volkssport. Wer zu spät kam, dem blieb nur die zweite Reihe. „Das war menschlich eine coole Truppe“, sagt Roquette. „Wir sind ja alle keine Profis. Jeder hat sich für den anderen aufgeopfert, man konnte sich aufeinander verlassen.“ Die Fans merkten und honorierten das. „Die Fans, die Mannschaft, die Helfer – der ganze Verein ist wie eine riesengroße Familie. Das habe ich sehr genossen“, sagt er.

Ein paar Tage nach dem verlorenen Finale und dem Abschied vom Leistungssport: Roquette hat Urlaub, am Abend trifft sich die Mannschaft zu einem letzten gemeinsamen Essen, am nächsten Tag fliegt er zum Ausspannen in den Süden. Nein, nein, abgehakt sei das Spiel nicht. „Oldenburg war besser“, so Roquette. „Es war ja nicht so, dass es in der letzten Sekunden entschieden wurde. Schon im Hinspiel waren wir nicht voll auf der Höhe und haben zu viele Fehler gemacht.“
Ein letztes Mal gab es im Finale die volle Emotionsdusche, nun ist Schluss. Der Traum vom Ende mit Gold um den Hals ist vorbei und kommt nicht wieder. „Während der Saison hat sich der Entschluss erhärtet, dass ich nicht mehr auf diesem Level spielen möchte“, so Roquette, der Ende September 33 wird. Mehr als zehn Jahre rackerte er in den Hallen der 2. Bundesliga: „Das hat viel Spaß gemacht, aber es geht auch viel Zeit drauf, man ist jedes Wochenende unterwegs.“ Von den Trainingseinheiten mal ganz abgesehen. Irgendwann lasse dann auch die Motivation nach: Voll berufstätig und ProB-Basketballer – das schlaucht. „Das war eigentlich immer schwierig“, erzählt der Ingenieur, wie er Arbeit im Büro und Arbeit in der Halle verband. „Du hast acht, neun Stunden gearbeitet und bist geschafft. Danach bist du beim Training. Manche machen Sport, um auszuspannen, aber das ist ja nicht einfach Sport. Da kannst du nicht abschalten, sondern musst immer voll konzentriert sein. Dann fährst du nach Hause und legst dich ins Bett.“ Und an Spieltagen: „Man spielt am Samstag, hat einen Dreiviertel-Sonntag frei, am Montag geht es dann wieder los“, so Roquette. „Das ist kräftezehrend, aber man nimmt es gerne in Kauf, weil es ja auch Spaß macht.“

Zwei Jahre spielte er für den SC Rist. Und was für zwei Jahre! Einmal Halbfinale, einmal Finale. Und irgendwie hat man das Gefühl, dass Roquette länger in Gelb und Grün zu Werke ging. Vielleicht liegt?s an der Verbindung zum Verein, die er durch seine Frau Dana schon vor dem Wechsel nach Wedel hatte. Oder weil die vergangenen beiden Spielzeiten ganz besonders intensiv und erfolgreich waren. „Das waren unfassbare zwei Jahre“, sagt er selbst. „Wie ich aufgenommen wurde, wie ich verabschiedet wurde. Ich habe so viel Anerkennung bekommen, das hat es mir echt schwer gemacht aufzuhören.“ Im Gedächtnis und im Herzen bleibt etwas hängen – wie bei jeder seiner Stationen. Der Beginn in Freiburg: Der USC ist gerade aus der ersten Liga abgestiegen, Roquette genießt das Bundesliga-Flair als Basketball-Lehrling, hier sichert er sich einen Platz im Zweitliga-Kader, beißt sich fest. „Freiburg war der Anfang“, sagt er. 2008 der Wechsel nach England. Roquette: „Auch eine geile Zeit.“ Und so etwas wie ein Karriere-Beschleuniger. Mit Leeds Carnegie gelingen ihm Aufstieg und Pokalsieg. „In England ist der Knoten geplatzt. Vorher war ich in Freiburg ein Rollenspieler, als ich zurückkam, war ich ein Leistungsträger.“

Nach einer weiteren Saison im Breisgau und starken Leistungen in der ProA geht?s nach Jena. „Da habe ich genossen, richtig als Profi zu spielen“, sagt Roquette. „Jede Station hatte etwas und hat mir etwas gegeben. Und bei jeder Station habe ich Freundschaften geschlossen, die geblieben sind. Das freut mich am meisten. Die Kameradschaft hat mir immer viel gegeben. Gemeinsam zu gewinnen und zu verlieren, das wird mir fehlen. Ich werde den Wettbewerb vermissen und die Emotionen im Spiel, die man mit der Mannschaft und mit den Fans erlebt.“ Das Gefühl, wenn ein Wurf trotz Foul durch die Reuse zischt und die Jubelfaust hervorschnellt, wenn ein hart erkämpfter Sieg im Kasten ist. Roquette verzichtet künftig drauf – weil es seine Entscheidung ist, nicht weil er nicht mehr kann oder nicht mehr darf. „Körperlich bin ich fit. Natürlich ist schon Verschleiß da, aber ich hatte nie eine schlimme Verletzung.“ Das ist nicht selbstverständlich, wenn man jahrelang 100-Kilo-Kolosse durch die Zone geschoben hat.

Nun kommt ein bisschen Freiheit, ein Samstagabend Ende November, der mal nicht mit einem Auswärtsspiel am anderen Ende der Republik verplant ist. Aber ganz die Hand vom Ball lassen? „Bis Sommer werde ich erst mal nichts machen“, sagt er. „Irgendwann werde ich bestimmt mal wieder in der Halle sein und ein bisschen daddeln. Basketball werde ich sicher noch spielen.“ Aber eben auf einem anderen Leistungsniveau. Die 3. Herren haben schon angefragt. Ausgeschlossen ist es also nicht, dass Roquette eines Tages mit dem Wedeler Legenden-Team auf Titeljagd geht. Und die Verbindung zum Leistungsbasketball bleibt, denn gemeinsam mit Andreas Bethke wird er sich fortan um die Geschicke der 1. Herren kümmern und dabei seinen großen Erfahrungsschatz einbringen.

Der SC Rist dankt Christoph Roquette herzlich für seine Leistungen und freut sich, dass er unserem Verein erhalten bleibt.

 

(SC Rist Wedel)