Die erste Leverkusener Meisterschaft 1970

Gleich zu Beginn gilt es etwas klarzustellen: „Ich weiß nicht wo diese Information herkommt, aber nicht Gießen sondern wir waren Favorit auf den Meistertitel 1970“, sagt Dieter Kuprella deutlich. Das Leverkusener Urgestein erinnert sich an die Spielzeit als sei es gestern gewesen und hat gefühlt jedes Detail der ersten Meistersaison der BAYER GIANTS im Kopf genauestens abgespeichert.

Als frischgebackener Aufsteiger erreichen die Rheinländer 1968/69 das Halbfinale gegen den MTV Gießen. Nur aufgrund des direkten Vergleichs musste der TuS die Segel streichen. Dabei wurde schnell erkennbar, dass in den 04ern große Kräfte schlummerten: „Im Sommer kamen dann weitere tolle Spieler nach Leverkusen, die uns helfen sollten“, so Kuprella „Norbert Thimm, ein Center mit dem perfekten Timing beim Block, Nationalspieler Jochen Pollex oder Dan Puscasiu, der aus Rumänien nach Deutschland geflohen war. Mit diesen Additionen zum Kader war uns schnell bewusst, dass wir den Titel gewinnen können.“

Im Sommer ‘69 arbeiteten die „Riesen vom Rhein“ hart für das Vorhaben, die Meisterschaft nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Trainer Günter Hagedorn wusste seine Jungs zu fordern, wie Dieter Kuprella berichtet: „Wir kannten bald jeden Winkel der Kurt-Rieß-Anlage in- und auswendig. Hagedorn scheuchte uns über die gesamte Sportanlage und brachte uns ziemlich ins Schwitzen. Vor allem aber lag der Fokus in der Vorbereitung auf dem Athletiktraining. Hier haben wir im Kraftraum unglaublich geschuftet und uns einiges von den Leichtathleten des Vereins abgeschaut. Zu damaligen Zeiten war die Arbeit im Kraftraum für einen Basketballer etwas komplett Neues, ich würde sagen, dass dies schon fast revolutionär war!“

Die reguläre Saison sowie die Zwischenrunde verliefen nach Plan: Der TuS bezwang jeden Gegner der ihm entgegentrat und spielte sich ohne große Probleme ins Finale: „Wir sind schon sehr dominant aufgetreten und haben vor allem in der Defensive ein gut funktionierendes Bollwerk auf die Beine gestellt“, so Kuprella „vor allem hat uns aber die Präsenz von Norbert Thimm geholfen. Durchbrach ein Gegenspieler unsere gut arbeitende Ball-Raum-Verteidigung stand Norbert am Brett und hat den Ball sofort in Richtung Absender geblockt.“ Aber auch der junge Kuprella wusste zu überzeugen. Der damals 23-jährige Guard bestach durch sein hohes Spielverständnis und war lange Zeit der beste Passgeber der gesamten Basketball-Bundesliga. Im Finale wollte Leverkusen Revanche nehmen, denn Gießen war am 26. April 1970 der Gegner der „Giganten“.

In der Vorbereitung auf die Begegnung setzte Trainer Günter Hagedorn auf ein damalig neues Mittel: Das Scouting des Gegners. Als erster Basketballverein der Bundesrepublik beobachteten die Leverkusener den Finalgegner ganz genau: „Meine Frau hielt per Audioaufnahme eine Partie der Gießener von der ersten bis zur Schluss-Sekunde detailgetreu fest“, erinnert sich Kuprella „in der Vorbereitung ging Hagedorn mit uns Schritt für Schritt durch was uns erwartet.“ Doch während Leverkusen vor allem als Kollektiv überzeugte, war der MTV anders gestrickt: Mit dem jungen aber überragenden Holger Geschwindner sowie den Nationalspielern Karl Ampt und Klaus Jungnickel, setzte der ungarische Übungsleiter Laszlo Lakfalvi auf schnellen Basketball, heute als „Run & Gun“ bekannt.

Die erste Halbzeit verlief aus Sicht der Leverkusener noch nicht wie gewünscht. Der TuS wirkte nervös, die Erwartungshaltung war hoch und die Atmosphäre war nicht eines Endspiels würdig: „Es waren um die 150 Leverkusener und ein paar mehr Gießener beim Finale in Dillingen“, so Kuprella „aber richtige Finalatmosphäre kam nicht auf. Die Einheimischen wussten gar nicht so genau was da in der Halle geschah. Ein Endspiel in Gießen oder Leverkusen wäre vom DBB eine weitaus bessere Entscheidung gewesen.“
Zur Halbzeit lagen die Farbenstädter zurück und Trainer Hagedorn richtete einige Worte an seine Mannschaft, bevor Dieter Kuprella dann eine Ansage vom Headcoach erhielt: „Die Jungs waren schon auf das Spielfeld gegangen, da nahm mich Hagedorn zur Seite. Ich hatte bis dato schwach gespielt und der Trainer hat mir dann nochmal etwas lauter gesagt, was er von mir erwartet“, schmunzelt Kuprella. In der zweiten Spielhälfte wurde BAYER zunehmend stärker und übernahm schließlich auch die Führung, welche man nicht mehr hergab. Gießen wurde zunehmend müde, die intensive Spielweise beider Mannschaften hatte bei den Mittelhessen ihren Tribut gefordert. Am Ende gewann Leverkusen knapp aber verdient mit 76:73. Die Saison 1969/79 endete somit ohne Niederlage für den TuS.

Auf dem Feld begannen die ersten Feierlichkeiten: Es wurde Sekt getrunken, der Hallenboden klebte und Spieler wie Fans lagen sich in den Armen. Für Dieter Kuprella fiel eine Riesenlast von den Schultern: „Von uns wurde erwartet, dass wir als Sieger nach Leverkusen zurückkommen. Der Druck war unheimlich hoch, dementsprechend haben wir im Anschluss gefeiert.“ Eine nette Anekdote auf der Rückfahrt hat der aus dem Ruhrgebiet stammende Kuprella ebenfalls parat: „Wir machten einen Halt an einem Landgasthof und haben uns dort das ein oder andere Bier genehmigt. Ein Weinregal, welches relativ hoch hing, haben wir geleert und mit halben Hähnchen gefüllt. Ich hoffe, dass dem Wirt dies frühzeitig aufgefallen ist. Spätestens der Geruch sollte nach ein paar Tagen dafür gesorgt haben.“

Die Stadt Leverkusen und der damalige Oberbürgermeister Wilhelm Dopatka empfingen die  gesamte Mannschaft zwei Tage nach dem Titelgewinn im alten Rathaus. Vor dem Gebäude versammelten sich mehr als 1.000 Leverkusener Fans und feierten den TuS frenetisch. Im Anschluss wurde gemeinsam im Sparkassen-Kasino gefeiert. Etwa vier Wochen später gewann BAYER auch den DBB-Pokal gegen Osnabrück. Doch was war so besonders an der ersten Leverkusener Mannschaft, die deutscher Basketballmeister wurde? „Jeder rannte für den Anderen, Fehler wurden gemeinsam ausgemerzt, das Team war der Star“, so Kuprella „aber vor allem Trainer Hagedorn war es, der den TuS von allen anderen Mannschaft unterschied. Mit seinem Training und wie er mit jedem Einzelnen von uns umgegangen ist, hat er den Basketball revolutioniert.“

Dieter Kuprella spielte bis 1977 für den TuS 04 Leverkusen, gewann insgesamt vier Meisterschaften und genauso oft den Pokal. 1972 nahm der gebürtig aus Gelsenkirchen stammende Combo-Guard für Deutschland an den Olympischen Spielen in München teil. Im Anschluss an seine Karriere wurde Kuprella Trainer. Er gewann mit der BAYER A-Jugend vier deutsche Titel und assistierte Tony DiLeo als Co-Trainer der deutschen Damen-Nationalmannschaft. Die heutige Entwicklung der GIANTS freut das Urgestein des BAYER-Basketballs: „Was Frank Rothweiler, mein ehemaliger Spieler, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus dem Leverkusener Basketball rausholt, verdient allerhöchsten Respekt. Ich wünsche ihm, Hansi Gnad und der gesamten Abteilung alles Gute für die Zukunft und selbstverständlich werde ich die BAYER GIANTS auch zukünftig in der Rundsporthalle als Fan unterstützen.“